Noten lesen zu können und nach Noten zu spielen bietet einige Vorteile gegenüber dem Musizieren mit Hilfe von Tabulaturen. Das Notieren von Musik mittels Notenlinien, Notenköpfen und Notenhälsen, Pausenzeichen etc. hat sich über Jahrhunderte entwickelt – und vervollkommnet. Es ist deutlich komplexer als die grafische Notation von Spielanweisungen in Tabulaturform, bietet dafür aber auch erheblich mehr musikalische Informationen. Vor allem für den klassischen Gitarrenunterricht ist das Spielen nach Noten üblich. Und für eine angemessene Interpretation konzertanter Gitarrenmusik ist es unverzichtbar, die musikalisch notierten Kompositionen lesen und verstehen zu können.
Notenlinien - das Koordinatensystem der Musik
Fünf Linien bilden das Notations- bzw. Notensystem für unsere Musik. Diese Notenlinien werden übereinander angeordnet und bilden in der y-Achse (Ordinate) die Tonhöhen ab: Unten werden tiefe Töne, nach oben hin die höheren notiert. Von links nach rechts in Richtung der x-Achse (Abszisse) wird der zeitliche Verlauf der Komposition abgebildet. Links stehende Noten werden zuerst gespielt, die rechts folgenden danach, übereinander stehende Noten erklingen gleichzeitig.
Notenköpfe - die einzelnen Töne
In dieses Notensystem werden die einzelnen Töne in Form von ovalen Punkten eingezeichnet. Diese Notenköpfe können sowohl auf einer der fünf Linien als auch in den vier Zwischenräumen positioniert werden. Es ergeben sich dadurch zunächst neun Positionierungsmöglichkeiten (5 Linien + 4 Zwischenräume). Hiermit könnten daher nur 9 unterschiedliche Tonhöhen symbolisiert werden, was für Musik bei weitem nicht ausreicht. Auf einer Konzertgitarre lassen sich z. B. mindestens 43 unterschiedliche Tonhöhen erzeugen.
Hilfslinien - Erweiterung des Liniensystems
Daher kann das Notensystem bei Bedarf nach oben und unten erweitert werden, indem oberhalb oder unterhalb der fünf durchgezogenen Linien kurze Hilfslinien gezeichnet werden. Die Anzahl ist nicht reglementiert, so dass hierdurch unbegrenzt viele Positionierungsmöglichkeiten für die Notenköpfe und daher für Tonhöhen zur Verfügung stehen (dennoch gibt es eine weitere Möglichkeit, Tonhöhen zu unterscheiden - dazu später mehr).
Notenschlüssel - eine Referenztonhöhe
Weit oben stehende Noten repräsentieren also sehr hohe (= sehr hoch klingende) Töne, unten stehende Noten relativ tief klingende Töne. Das sind allerdings nur sehr vage Angaben. Um nun die eingezeichneten Noten ganz genau identifizieren zu können, muss festgelegt werden, auf welcher Linie und in welchem Zwischenraum welche Note konkret stehen soll. Dies ist die Aufgabe des sogenannten Notenschlüssels. Für die Gitarre wird der G-Schlüssel verwendet (der auch Violinschlüssel genannt wird, weil er für die Violine ebenfalls genutzt wird - für die Gitarre allerdings mit einem Zusatz: Eine kleine Acht unten am Schlüsselsymbol soll andeuten, dass die Gitarre eine Oktave tiefer klingt als die Violine).
Dieser G-Schlüssel am Anfang des Notensystems legt fest, dass auf der zweiten durchgezogenen Linie von unten die Note g stehen soll. Dieses g entspricht auf der (normal gestimmten) Gitarre dem Ton, der beim Anschlagen der G-Saite erklingt (zudem lässt sich dieses g auf den tieferen Saiten auch greifen). Als Spielanweisung ausgedrückt: Wenn eine Note auf dieser zweiten Linie eingezeichnet ist, heiß das: Schlage die leere G-Saite an (leer = nicht gegriffen). Und wenn drei g-Noten hintereinander stehen: Schlage dreimal hintereinander die G-Saite an.
Stammtöne - Benennung der Noten
Aufgrund allgemeiner musikalischer Regeln bzw. Konventionen lassen sich nun die anderen Noten über und unter dem g benennen. Als Bezeichnungen werden in Deutschland die sieben Buchstaben c, d, e, f, g, a und h genutzt (im angloamerikanischen Sprachraum und in den Niederlanden hingegen c, d, e, f, g, a, b; in Spanien und Italien do, re, mi, fa, sol, la, si).
Nachdem sieben aufeinander folgende Noten mit den sieben Buchstaben benannt wurden, fängt die Benennung von vorn an. Die achte Note erhält also den selben Namen wie die Note, die in der auf- und auch absteigenden Reihe acht Stammtöne entfernt steht. Um die gleichnamigen Noten, die untereinander Oktaven bilden, dennoch auseinander halten zu können, bedient man sich der Groß- und Kleinschreibung und nutzt zudem Beistriche: G g g' g'' … (lies: großes G, kleines G, eingestrichenes G, zweigestrichenes G).
In der nachfolgenden Abbildung sind alle auf der Gitarre (in Normalstimmung) auf den ersten 12 Bünden spielbaren Stammtöne notiert und benannt. Die Tabulatur unterhalb des Notensystems zeigt an, wo die Saiten heruntergedrückt werden müssen. Die sechs Linien des Tab-Systems stellen die Saiten der Gitarre dar, die Ziffern darauf geben den jeweiligen Bund an, auf dem die Saite gedrückt werden muss (0 = leere Saite, 1 = 1. Bund, 2 = 2. Bund usw.).
Versetzungszeichen - erhöhen und erniedrigen
Aus der Tabulatur ist ersichtlich, dass bei der Stammtonreihe nicht alle auf der Gitarre spielbaren Töne berücksichtigt wurden. Ein Beispiel: Auf der hohen e-Saite wird f' im ersten Bund gegriffen, das folgende g' im dritten Bund. Der Ton, der im zweiten Bund gegriffen werden kann, wurde also ausgelassen (übersprungen). Tatsächlich ist dort eine Tonhöhe erzeugbar, die zwischen f' und g' liegt. Im Notensystem ist aber kein Platz mehr vorgesehen zwischen dem f' auf der obersten der fünf Linien und dem g', das im darauf folgenden Zwischenraum eingezeichnet ist. Und nun?
Für solche Fälle bedient sich die traditionelle Notation zusätzlicher Symbole, der sogenannten Versetzungszeichen. Diese Symbole werden vor eine Note gezeichnet, um sie um einen Halbtonschritt höher oder tiefer zu setzen (die Position der Note auf der y-Achse im Fünfliniensystem wird dabei nicht verändert). Ein Halbtonschritt entspricht auf der Gitarre dem Abstand von einem Bund einer Saite zum darauf folgenden auf derselben Saite.
Zurück zum Beispiel: Wenn wir nun vor die Note f' (gegriffen im 1. Bund) das Versetzungszeichen zum Erhöhen des Tons setzen (ein stilisiertes Kreuz), dann soll also dieser Griff um einen Bund nach oben verschoben werden - in den bislang ungenutzten 2. Bund. Der durch diese Veränderung (Alteration) entstandene Ton nennt sich fis' (an die ursprüngliche Tonbezeichnung f wird ein is angehängt). Andererseits lässt sich der im 3. Bund gegriffene Ton g' auch um einen Halbton vermindern bzw. erniedrigen, indem man vor die Note g' ein kleines b (♭) zeichnet. Der dann zu spielende Ton nennt sich ges' (beim Erniedrigen wird also es an den Notennamen gehängt). Dieses ges' wird ebenfalls im 2. Bund der hohen e-Saite gegriffen, es ist daher klanglich absolut identisch mit fis'.
Die Versetzungszeichen lassen sich vor alle Noten setzen, beispielsweise auch vor das große H, das im 2. Bund der A-Saite gegriffen wird. Wird ein Erniedrigungszeichen B (♭) vor das H gesetzt, nennt sich der alterierte Ton dann blöderweise nicht Hes, sondern B (das hat historische Gründe). Das B wird einen Bund tiefer gegriffen als das ursprüngliche H, also im 1. Bund der A-Saite. Und erhöhen lässt sich das H ebenfalls: Ein Kreuz davor macht es zum His und das wird im 3. Bund gegriffen - dort, wo auch der Ton C liegt. His und C sind klanglich identisch, ebenso wie es Ces und H sind, um ein weiteres Beispiel dieser sog. enharmonischen Verwechslungen zu nennen.
Warum werden auf zwei Arten Tonhöhenunterschiede symbolisiert?
Unterschiedliche Tonhöhen von Noten bzw. Tönen im Notensystem werden durch Auftragen auf eine gedachte y-Achse optisch leicht nachvollziehbar symbolisiert - oben eingezeichnete Töne klingen hoch, weiter unten stehende klingen tief(er). Durch die Möglichkeiten der Vorzeichnung (Versetzungszeichen) wird dieses grafische System dann aber aufgebrochen, so dass zum Beispiel auf gleicher Höhe stehende Noten unterschiedlich hoch klingen. Warum?
Unser Notensystem spiegelt das Tonsystem wider, auf dem die westliche oder "abendländische" Musik basiert. Durch die Vorzeichnungsmöglichkeit lassen sich Verwandtschaften zwischen Noten und Unterschiede zwischen leitereigenen und leiterfremden Tönen einer Tonart recht anschaulich darstellen, um auf eine durchaus sinnhafte Weise tonale, melodische, harmonische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die simplen Spielanweisungen der Tabulaturen können das nicht. Es lohnt sich daher, sich mit dem Notensystem vertraut zu machen, auch wenn es anfangs undurchdringlich scheint. Die Entwicklung dieses Notensystems hat mehrere hundert Jahre gedauert. Es zu erlernen, geht schneller - versprochen.
Übrigens gibt es auf musikwissenschaften.de einen sogenannten Halbtonschritt-Rechner, mit dem per Mausklick die Anzahl der Halbtonschritte zwischen zwei Tönen/Noten berechnet werden kann. Außerdem werden die Töne und alle dazwischen liegenden Halbtöne vorgespielt.