"Guitarre-Schule" - Gitarrenlehre von 1802

Guitarre-Schule 1802: VI. Von den Akkorden

VI. Kapitel. Von den Akkorden.

§ 1. Dieses Kapitel ist so wichtig, dass derjenige, der bei Erlernung der Gitarre es nicht sorgfältig benutzt, gewiss den Zweck seiner Bemühungen verfehlen wird. Mancher will nach und nach durch vieles Spielen die Akkorde selbst zusammenstellen lernen - allein dies muss nach Bekanntmachung der Plätze das Erste sein. Wie widrig und ermüdend muss das Spielen für jenen sein, der keine Begriffe von Akkorden und ihren Veränderungen hat! Man suche daher erst eine Kenntnis der Akkorde zu bekommen, und dann mache man sich die Hauptakkorde auf den angewiesenen Plätzen bekannt.

§ 2. Der Akkord ist die regelmäßigste Zusammensetzung mehrerer Töne auf verschiedenen Stufen. Jede Veränderung eines Tones von seinem Platze zu einem anderen gibt dem Akkord eine andere Harmonie und Benennung. Es gibt hauptsächlich zweierlei Akkorde, nämlich: konsonierende (wohlklingend) und dissonierende (übelklingend). Harmonie ist eine Folge und Verbindung einzelner Akkorde zu einem Ganzen.

§ 3. Ehe eine Erklärung von den vollstimmigen (vollständigen) Akkorden in Beispielen hier angegeben wird, ist es notwendig, dass eine Darstellung der Intervalle (höhere Töne mit einem tieferen verglichen) vorangehe, um die Veränderungen zu zeigen, woraus die konsonierenden und dissonierenden Akkorde entstehen.

Fig. 27 zeigt die Intervalle: Primen, Sekunden, Terzen etc. Jedes Intervall ist auf verschiedene Arten angezeigt - durch die Wörter: klein, groß, übermäßig, vermindert. Diese Beispiele studiere man sorgfältig, indem sie Erleichterung und Aufschluss über die vollstimmigen Akkorde geben.

§ 4. Die [in] Fig. 28 angeführten Beispiele zeigen die Umwendungen [Umkehrungen] verschiedener Akkorde, d. h. so wie sich der Grundton verändert und seinen Platz oben oder in der Mitte nimmt, so entsteht eine andere Abstufung und also auch eine andere Benennung der Töne.

§ 5. Ehe man zu Übergängen (Ausweichungen) und Auflösungen der Akkorde schreitet, ist es notwendig, die Hauptakkorde auf ihren Plätzen und der Ansicht nach kennen zu lernen. Man sehe also Fig. 29, wo die Akkorde ohne Übergänge dargestellt sind, und zwar so, dass der erste ohne Verdopplung eines Tones, der zweite aber mehrstimmig ist.

1te Anmerkung: Jedem Durtone [Dur-Tonart] folgt der Mollton, welcher gleiche Vorzeichnung hat.

§ 6. Hat man diese Akkorde so geübt, dass man sie ohne langes Suchen angeben kann, so studiere man die unter Fig. 30 angegebenen Auflösungen (das Übergehen einer Dissonanz in eine Konsonanz). Diese Beispiele sind eine gute Vorbereitung zu Übergängen.

2te Anmerkung: Mancher Tonkünstler wird dieses ganze Kapitel weitläufiger wünschen. Man bittet aber zu bemerken, dass dieses Werkchen eine Anweisung zur Gitarre, nicht zum Generalbass ist.

§ 7. Fig. 31. Diese Beispiele, welche die wichtigsten Akkorde und nächsten Übergänge darstellen, übe man ja sorgfältig und gebe dabei auf richtige Fingersetzung Acht. Dann erst, wenn man diese gehörig geübt und die Abwechslungen derselben in seiner Gewalt hat, wird man die großen Vorteile einsehen, die das Spielen jedes Stücks erleichtern. Übrigens greife man auseinandergesetzte Akkorde, wo möglich, immer voll, wenn auch einige in dem Akkord herrschenden Töne weder da stehen noch gehört werden; außerdem man die folgenden Töne erst suchen muss.