Arrey von Dommer: Artikel "Guitarre (Guiterne)" in: Musikalisches Lexicon. Auf Grundlage des Lexicon's von H. Ch. Koch, Heidelberg 1865.
Guitarre (Guiterne), ein Saiteninstrument, dessen Saiten durch Reißen oder Schnellen mit den Fingern zum Klingen gebracht werden, welches daher hinsichts der Behandlungsweise der Laute, Theorbe u. a. verwandt ist, wenngleich es an Form von ihnen abweicht. Das in betreff seiner Größe zwischen Viola und Violoncell die Mitte haltende Korpus der aus der Cither (siehe Cithara) entstandenen Guitarre hat einen flachen Boden und eine ebenfalls flache Decke, welche in der Mitte mit einem runden Schallloche durchbrochen ist. Die Zargen sind im Verhältnis zur Größe von Decke und Boden höher als bei den Geigenarten. Der Hals ist breit, das Griffbrett mit Bünden von Metall oder Elfenbein versehen; am oberen Ende des Halses befindet sich, statt des Wirbelkastens, ein rückwärts geneigtes Brettchen, in welchem die Wirbel laufen. Der breite und starke aber sehr niedrige Steg, in welchem die Saiten eingehängt sind, ist nicht beweglich, sondern fest auf den Resonanzboden aufgeleimt. Von den sechs Saiten, womit das Instrument bezogen zu sein pflegt, sind die vier höheren gewöhnliche Darmsaiten, die beiden tieferen aber aus Schlussseide verfertigt und mit Draht übersponnen. Gestimmt sind sie in E A d g h e' - in früherer Zeit findet man auch nur fünf Saiten, in A d g h e'. Mittels einer auf einen der Bünde gesetzten, die klingenden Teile aller Saiten zugleich verkürzenden Klammer (Capotasto) kann die Stimmung erhöht werden. Beim Spielen hängt man die Guitarre an einem Bande über die Schulter, hält sie mit dem rechten Arme und reißt die Saiten mit den vier Fingern der durch den neben der E-Saite auf den Resonanzboden aufgelegten kleinen Finger gestützten rechten Hand, während die Finger der linken Hand auf dem Griffbrette die Töne bestimmen. Sie ist namentlich zur harmonischen Begleitung eines einstimmigen Gesanges geeignet und gegenwärtig in Deutschland wohl ebenso verbreitet wie in ihrem Heimatlande Spanien, von wo aus sie nach Italien wanderte und vor etwa 80 Jahren zu uns kam*; in Süddeutschland hört man sie sehr häufig mit der Zither vereint. Einfache Liederbegleitungen darauf zu erlernen, ist ganz einfach, zu einem gewissen Grade von Virtuosität hingegen bringen es nur wenige, sowohl der technischen Schwierigkeiten wegen, als auch weil es der Anstrengung, solche zu überwinden, nicht lohnt. Denn als Soloinstrument ist die Guitarre mit ihrem trockenen, kurzen und klimpernden Tone eigentlich ganz wertlos und wird bei weitem noch von der Zither übertroffen.
Ein deutscher Künstler in London versah die Guitarre mit einer Art Klaviatur für die rechte Hand […]. Der durch die Klaviatur gewonnene Vorteil besteht in einem festeren und bestimmteren Anschlage des Tones und, in Rücksicht auf die rechte Hand, in einer leichteren Behandlungsweise. Bei allem aber hat dieses Clavier- oder Pianoforte-Guitarre genannte Instrument keine weitere Verbreitung gefunden. Auch noch mannigfache andere Vervollkommnungen und Umformungen sind versucht worden, haben sich aber nicht erhalten. So das Guitarrencello und die Guitarre d'Amour (Leipz. Mus. Zeitg., Jahrg. 25, S. 280 und 626) von Staufer in Wien, Birnbachs Guitarre, die mit einem Bogen gestrichen wurde etc.
*1788 brachte die Herzogin Amalie von Weimar die erste Guitarre nach Weimar, sie galt damals als ein neues italienisches Instrument, war aber nur fünfsaitig. Der Instrumentenmacher Jac. Aug. Otto zu Weimar scheint durch Verfertigung zahlreicher Guitarren viel zur Verbreitung derselben in Deutschland beigetragen zu haben.