Carcassi, Opus 1 bis Opus 26 - Rezension von 1828

Sechsundzwanzig Werke für die Guitarre allein, von Matteo Carcassi, opus 1 bis op. 26, erschienen in der Grossherzoglich Hessischen Hofmusik-Verlags-Handlung von B. Schott Söhne in Mainz.

Je größer die Anzahl derjenigen ist, die, steht ihnen irgend einige Gewandheit in der Komposition und auf der Guitarre zur Seite, für dieses Instrument mit oder ohne Begleitung schreiben, - je mehr in dieser Gattung das Publikum mit oberflächlichen Produkten belastet wird - desto erfreulicher ist es, weinn ein Mann, ausgerüstet mit gehöriger Kenntnis im Fache der Komposition, meisterhaft bewandert auf seinem Instrumente, uns Arbeiten darbietet, die nicht allein wahren Kunstwert in sich tragen, sondern auch die Behandlung des Instruments in jeder Beziehung erhöhen und weiter bringen. - Dieses findet sich in vorstehenden 26 Werken des Herrn Carcassi auf löbliche Weise geleistet.

Treffliches war bereits durch Giuliani und Carulli für die Guitarre geschrieben, und dadurch dieses Instrument von seiner früheren Beengtheit auf einen Punkt erhoben, der es mit vielen anderen sehr geachteten Instrumenten wetteifern ließe. Herr Carcassi ist nicht allein von diesem Punkte, auf welchen das Instrument von jenen würdigen Vorgängern geförter worden war, ausgegangen, sondern er hat die Sache in den angezeigten Werken auch weiter gefördert, sowohl was das Gewinnen neuer Effekte, als auch die technische Behandlung des Instruments betrifft.

Vorzüglich interessant erscheinen in diesen Hinsichten: in op. 1 im ersten Rondo Allegretto in C-Dur der ersten Sonatina die Stelle, Seite 3 in der Zeile 5, vom ersten Takte anfangen bis zur Einleitung in das Thema, sowie auch vom Rondo Allegretto der 3ten Sonatina in A-Dur, Seite 8 in der dritten Zeile vom dritten Takte anfangend bis zum Halte; in Opus 2 das äußerst effektvoll gearbeitete Rondo Allegretto non troppo in C-Dur, Seite 8; der in op. 3 sehr gelungene Walzer Nr. 9 in A-Dur, Seite 8, sowie auch das niedliche Rondo pastorale Andantino grazioso Nr. 12 in E-Dur, Seite 10 und 11; - in op. 7 die durchgängig ausgezeichneten Variationen in D-Dur, Au clair de la Lune, chanté dans les voitures versées; - in op. 12 sowohl das ausgezeichnet schön variierte Thema italien in A-Dur, als auch das Thema allemande in C-Dur; - in op. 13 verdienen die vier Potpourris in jeder Hinsicht allen Freunden der Guitarre als Muster einer schönen Bearbeitung aufgestellt zu werden, - so wie auch die acht Divertissements von op. 16; - nicht minder le Songe de J. J. Rousseau, Air varie in op. 17, - und die Fantaisie von op. 19.

Es verdienen diese Werke allen Freunden dieses Instruments empfohlen zu werden, welche nicht allein Vergnügen, sondern auch reellen Gewinn aus dem fleißigen Studium derselben ziehen werden. Und es gereicht der - durch große Betriebsamkeit und bedeutende Opfer - um die musikalische Welt verdienten Verlags-Handlung zur Ehre, auch diese schönen Blüten zu Tage gefördert zu haben.

Findet sich auch in den Arbeiten des Herrn Carcassi manche schwächere Stelle (wie z. B. in Opus 9, Seite 1, Variationen über das bekannte Fischer-Lied, in C-Dur, wo im zweiten Teile das Thema, Takt 4, so auch in op. 12, Seite 9, wo das nämliche Thema von dem Fischer-Liede in A-Dur variiert ist, eine Stelle vorkommt, die sowohl der Gleichheit der rhythmischen Verhältnisse als der logischen Grundgliederung der Gedanken zuwider ist), so überbietet das Gute in eben dem Maße diese kleine Versehen.

Der schöne Stich und das sonst würdige Äußere der Ausgabe lassen leicht die wenigen Stichfehler übersehen, die sich freilich hier und da vorfinden (z. B. in op. 1, Seite 2, in der letzten Zeile, Takt 5, wo in der oberen Melodie die Note D im Sextakkord von G ausgelassen ist und dergleichen mehr), welche aber der aufmerksame Spieler leicht finden und verbessern wird.

Möge Herr Carcassi die Liebhaber der Guitarre mit noch vielen dergleichen Werken erfreuen, wobei übrigens zu wünschen wäre, dass er, bei schwierigen Stellen den Fingersatz genau bezeichnen möge, um den Liebhabern auf diese Art einigermaßen ihr Stdium zu erleichtern. Würzburg, 1828. Joseph Küffner. [in: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Heft 32, Mainz 1828, S. 265ff]