Carcassi, Matteo (Schilling 1840)

Haltung der Gitarre (Carcassi Gitarrenlehre)
"Manner of holding the guitar" lautet die Unterschrift zu dieser Zeichnung in der englischsprachigen Gitarrenlehre Carcassis.
Carcassi, Matteo, Guitarrevirtuos und zugleich auch einer der bewährtesten und fleißigsten Komponisten für sein Instrument in der neuesten Zeit, der nicht, wie viele Andere, mit bloß oberflächlichen Produkten dieser Gattung das Publikum belastet; welches allein die 36 bis 40 Solowerke, die bereits in der Musikalienhandlung von Schott und Söhne in Mainz erschienen sind, aufs hinlänglichste bezeugen. Treffliches hatten vor ihm schon Giuliani und Carulli für die Guitarre geschrieben und dadurch dieses Instrument von seiner früheren Beengtheit auf einen Punkt erhoben, wo es in gewisser Beziehung mit vielen anderen sehr geachteten Instrumenten wohl wetteifern darf. Carcassi ist über diesen Punkt noch weiter hinausgegangen, sowohl in dem, was das Gewinnen neuer Effekte, als auch was die technische Behandlung des Instrumentes betrifft. Als vorzüglich interessant in dieser Hinsicht erschien gleich sein Op. 1, drei Sonatinen, in A- und C-Dur, an welches sich Opus 2, ein effektvoll gearbeitetes Rondo, würdig anreiht. Ferner heben wir hervor Opus 7, Variationen in D-Dur, "au clair de la lune, chanté dans les voitures versées"; Op. 12, Variationen in A-Dur über ein italienisches, und dergleichen in C-Dur über ein deutsches Thema; Op. 13, vier Potpurri's [sic]; Opus 16, acht Divertissements; Op. 17, Variationen über ein Thema von Rousseau, und die Fantasie Op. 19.

Findet sich auch in den Arbeiten Carcassis manche schwächere Stelle, so überbietet doch das viele Gute des Ganzen in eben dem Maße diese kleinen Versehen, und es bleibt nur der Wunsch übrig, dass die sonst so tätige Verlagshandlung noch mehr Sorgfalt auf einen korrekteren Druck verwandt haben möchte. Doch darf auch dieser geringe Tadel Liebhaber nicht abschrecken, denn auch in der Gestalt, in welcher wir diese Werke besitzen, verdienen sie allen Freunden des betreffenden Instruments empfohlen zu werden: nicht allein Vergnügen, sondern auch wahrhaft reeller Gewinn lässt sich aus dem fleißigen Studium derselben ziehen.

Die näheren Lebensumstände dieses achtbaren Komponisten sind uns unbekannt geblieben. Die Schuld davon mag einerseits die Unstetigkeit seines Wandels tragen, indem er die größte Zeit seines noch jungen Lebens bisher auf Reisen zubrachte. Er ist in Italien geboren, wo er sich auch wohl drzeit wieder aufhält; um 1824 machte er eine Reise durch Deutschland, und noch 1827 (wenn wir nicht irren) erschienen in mehreren öffentlichen Zeitschriften sehr ruhmredige Nachrichten von Konzerten, welche er hier an verschiedenen Orten gegeben hatte. [Schilling Universal-Lexicon 1840, 125f]