Country, Bluegrass, Blues ... - wer sich mit den traditionellen Stilen der US-amerikanischen Popmusik beschäftigt, wird früher oder später über ein faszinierendes Klangphänomen staunen: ein irgendwie metallisch klingender Gitarren-Sound im Fingerpicking-Style oder vibrierend-slidende Melodien mit sanglichem Charakter. In beiden Fällen zeichnet die sogenannte Resonatorgitarre (engl.: "resonator guitar", seltener auch "resophonic guitar") verantwortlich. Sie wurde in den 1920er Jahren ursprünglich entwickelt, um dem Bedarf nach einer besonders laut klingende Gitarre nachzukommen, wenige Jahre vor der Entwicklung des elektromagnetischen Tonabnehmers und damit der verstärkbaren E-Gitarre (eine zur Lösung des Lautstärkeproblems auch denkbare Mikrophonierung von Akustik-Gitarren war u. a. wegen der damals sehr schmalbandig arbeitenden Mikrofone noch nicht praktikabel).
Ihr konstruktionsbedingt typischer Klang-Charme hat unzählige Gitarristen fasziniert. Und trotz Weiterentwicklung von Mikrofon- und Verstärkertechnik - die Resonatorgitarre wird auch heute noch gebaut, und von ihrer Faszination hat diese besondere Gitarrenart bis heute nichts eingebüßt.
Akustik der Resonatorgitarren
Bei Zupfinstrumenten wie der Konzertgitarre oder der Westerngitarre werden die Saitenschwingungen über den Steg auf den hölzernen Resonanzboden übertragen, der die Schwingungen dann 'verstärkt' an die Luft abstrahlt. Bei Resonatorgitarren hingegen versetzen metallische Trichter die Luft in Schwingungen. Auch sie sind über einen speziell konstruierten Steg mit den Saiten verbunden. Die in der Regel aus dünnem, leichtem Aluminium geformten Trichter sind im Innern des Gitarrenkorpus schwingungsfähig aufgehängt, ähnlich wie die Membranen von Lautsprechern, und können so vergleichsweise große Luftmassen bewegen. Daher klingen Resonatorgitarren lauter (und anders) als übliche Akustik-Gitarren mit ihrem Resonanzboden.
Über Schalllöcher im Korpus werden die innerhalb der Resonatorgitarre erzeugten Luftschwingungen dann nach Außen abgegeben. Weil die schwingenden Trichter, also die Resonatoren, die 'verstärkende' bzw. schallabstrahlende Aufgabe des Resonanzbodens übernehmen, verlieren die akustischen Eigenschaften des Gitarrenkörpers einer Resonatorgitarre an Bedeutung - er kann daher auch aus billigen Hölzern oder nicht schwingungsfähigem Metall hergestellt werden. Maßgebend für den Sound ist vielmehr die Konstruktion der Resonatoren selbst. Drei prinzipiell unterschiedliche Bauweisen haben sich etabliert.
Bauweisen von Resonatorgitarren
Tricone ("National tricone")
Erfunden und zu allererst gebaut wurde die Resonatorgitarre mit drei Resonatoren bzw. konusförmigen Trichtern ("tri": drei, "cone": Kegel, Trichter). Um diese drei Aluminium-Konen akustisch mit den schwingenden Saiten zu koppeln, wurde ein T-förmiger Steg ("T-shaped bridge") konstruiert. Dieser Steg, auf dessen einem Ende die Saiten liegen, wurde mit einem ebenfalls T-förmigen Bügel überbaut, der als Auflage für die Anschlagshand des Gitarristen diente - ein äußerlich sichtbares Erkennungsmerkmal, an dem sich auch heute noch Tricone-Modelle von den anderen Bauweisen leicht unterscheiden lassen.
Produziert wurden die ersten Tricones 1927/28 von der National String Instrument Corporation, kurz National. Daher wird diese Urform der Resonatorgitarre auch gern als "National tricone" bezeichnet - vor allem, wenn ihr Korpus zudem aus Metall gefertigt ist, weil auch die ersten Tricones solch einen glänzenden Metallkorpus (aus "German Silver") besaßen (im Gegensatz zu den ersten Resonatorgitarren der Konkurrenz).
Der Erfinder der Resonatorgitarre, John Dopyera, hatte damals mit einer unterschiedlichen Anzahl von Resonatoren experimentiert, um sich schließlich für eine Dreier-Konstruktion zu entscheiden. Hiermit seien die besten Resultate zu erzielen, hielt er 1926 in einer Patentschrift fest (US1762617). Tatsächlich zeichnet sich die Tricone im Vergleich zu der danach entwickelten Singlecone-Variante durch einen ausgewogeneren, eher runden Klang aus und auch durch eine etwas weichere Ausschwingphase mit längerem Sustain.
Singlecone Biscuit-Bridge ("National biscuit")
Vor allem aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen - die Tricones waren teuer, der Verkauf lief nur schleppend an - wurden bald auch einfacher konstruierte und daher preiswertere Resonatorgitarren angeboten: die Singlecones, also Gitarren mit nur einem Resonator. Dieser eine große Trichter wurde über eine sogenannte "biscuit bridge" angetrieben, ein Steg auf einer hölzernen Scheibe, die an der gekappten bzw. eingedrückten Spitze des Konus befestigt ist. Das Patent hierfür wurde von George Beauchamp am 11.3.1929 in den USA angemeldet (US1808756) und am 29.5.1929 auch im Deutschen Reich (DR520191). Im deutschsprachigen Patent heißt es zur Singlecone-Innovation im Vergleich zum Tricone-System und speziell zur neuen Biscuit-Bridge, die dort als "kreisförmiges Spannungsglied A" bezeichnet wird:
Saiteninstrumente dieser Art wurden bisher mit einer Anzahl von Resonatoren hergestellt, welche einen recht beträchtlichen kleineren Durchmesser haben als der Resonator der Erfindung. Ferner wird bei den bekannten Instrumenten der Steg, über welchen die Saiten gespannt sind, entweder direkt oder indirekt mit den Spitzen der Resonatoren verbunden, und zwar an einem einzigen Punkt. Gemäß der Erfindung wird jedoch ein kreisförmiges Spannungsglied A benutzt, welches entlang einer Kreislinie 16 mit dem Resonator in Verbindung steht. In dieser Weise werden die Schwingungen der Saiten, welche auf den Resonator R übertragen werden, in bedeutend größerem Maße verstärkt, trotzdem nur ein einziger Resonator angeordnet ist.
Diese Singlecones wurden gegen Ende der 1920er Jahre, neben den Tricones, ebenfalls von National gebaut und waren wirtschaftlich deutlich erfolgreicher - trotz der klanglichen Unterschiede. Vor allem eingebaut in metallische Gitarrenkörper klingen sie 'härter' oder 'trockener' als die klassischen Tricones. Entgegen der Befürchtungen John Dopyeras kam dieser laute, metallische, knackige Sound allerdings gut an. Unter anderem im Blues wurde die "National biscuit" gern verwendet.
Singlecone Spider-Bridge ("Dobro singlecone")
Als die ersten Singlecones auf den Markt kamen, hatte Dopyera die unter anderem von ihm selbst gegründete National String Instrument Corporation wohl bereits verlassen und eine neue Firma gegründet, um fortan in Konkurrenz Resonatorgitarren herzustellen. Die bisher angemeldeten Resonatorgitarren-Patente blieben allerdings im Besitz von National, so dass der Erfinder sich etwas neues ausdenken musste. Entgegen seiner musikalisch-klanglichen Präferenzen für das Tricone-System brachte seine Firma, die Dobro Manufacturing Company, nun ebenfalls eine Singlecone-Gitarre heraus - mit deutlichen konstruktiven und daher auch klanglichen Unterschieden zu der von National.
Sowohl bei der Tricone als auch bei der Singlecone von National strahlten die Resonatoren in Richtung der Rückwand des Gitarrenkorpus ab. Dopyera drehte den Trichter nun um, so dass die Öffnung des Konus mit dem Steg gekoppelt werden musste. Hierfür wurde die "Spider Bridge" entwickelt, eine spinnennetzartige Metallkonstruktion, die einerseits auf der Öffnung des Resonanz-Trichters aufsitzt und andererseits einen zweigeteilten Steg trägt, auf dem die Saiten ruhen.
Ob Dopeya diesen konstruktiven Trick erfand, allein um patentrechtlichen Problemen aus dem Wege zu gehen, oder ob sein Anspruch an einen ausgewogenen Klang eine Rolle spielte, lässt sich kaum noch sagen. In der Patentschrift zur Spider-Bridge-Gitarre (die allerdings im Namen seines Bruders eingereicht wurde) heißt es jedenfalls, es werde ein Resonator-Instrument mit einem süßen Klang ("sweet tone") zum Patent angemeldet.
Spielweisen von Resonatorgitarren
Neben den drei beschrieben Bauweisen von Resonatorgitarren bzw. von Resonator-Systemen gibt es ein weiteres, systemübergreifendes Unterscheidungsmerkmal: die Form des Gitarrenhalses. Diese Form bedingt ganz unterschiedliche Spielweisen.
Square-Neck, Lap-Steel
Die ersten Resonatorgitarren wurden mit "square necks", mit viereckigen Gitarrenhälsen, gebaut. Sie waren als laut klingende Lap-Steel-Gitarren konzipiert, die in der damals populären Hawaii-Musik eingesetzt und auf dem Schoß ("lap") des Gitarristen liegend gespielt wurden. Weil bei dieser Spielweise die Hand des Gitarristen nicht um den Hals herumgreifen muss, konnte eine klotzartige, kantige Form gewählt werden mit breiter Auflagefläche.
Bei dieser Spielweise drückt die Greifhand die Gitarrensaiten nicht gegen das Griffbrett, um die Saiten zu verkürzen. Vielmehr wird mit nur leichtem Druck ein Gegenstand, der Slider, auf die Saiten gehalten, um den schwingenden Teil einer Saite zu bestimmen und so die Tonhöhe zu variieren. Über eine Seite gleitend, lässt sich so das typische Glissando der Melodien erzeugen, die so charakteristisch geworden sind für die Hawaii-Musik. Durch gleichzeitiges schnelles Hin- und Herwackeln wird dabei zudem das typische 'hawaiianische' Vibrato hervorgerufen. Verwendung fanden Resonatorgitarren mit Square-Neck aber auch in anderen Stilrichtungen, zum Beispiel im Bluegrass der 1930er und 40er Jahre.
Round-Neck
Resonatorgitarren wurden bereits gegen Ende der 1920er Jahre auch mit abgerundetem Hals angeboten, was sie interessant machte für den weiten Kreis von Gitarristen mit klassischer Spielweise. Die Form des "round neck" war identisch mit dem der damals üblichen Akustik-Gitarren. Sobald auch die Saitenlage entsprechend angepasst wurde (bei den Lap-Steels liegen die Saiten zu hoch über dem Griffbrett, um sie richtig greifen zu können), konnte die laut klingende Resonator mit ihrem typisch anderen Gitarrenklang musikalische Richtungen erobern fernab von der Hawaii-Musik.
Zudem konnten neue Spieltechniken entwickelt werden. Vermutlich inspiriert von der Slide-Technik der Lap-Steel-Spieler wurden solche Slides auch auf der Resonatorgitarre mit gerundetem Hals und in normaler Haltung gespielt - haltungsbedingt aber nun mit dem über einen Finger gestülpten Bottleneck. Die anderen Finger konnten so weiterhin fürs Greifen der Saiten genutzt werden. Eine Kombination von slidendem Melodiespiel und akkordisch-rhytmischem Spiel wurde dadurch möglich. Country-Musik und Blues erfuhren so eine instrumentale Erweiterung, die mitunter auch stilprägend wirkte.