Lágrima (zu Deutsch: Träne) vom spanischen Gitarrenvirtuosen und Komponisten Francisco Tárrega (1852-1909) ist eines seiner bekanntesten Stücke. In kaum einer Sammlung klassischer Gitarrenliteratur fehlt es. Zudem ist es als Notensatz und auch in Tabulaturform inzwischen zigfach im Internet zu finden. Ich hab dieses wunderbare Preludio dennoch ein weiteres Mal notiert und mit eigenen - hoffentlich durchdachten - Fingersätzen versehen.
Lágrima ist eine romantische Miniatur, die aus lediglich 16 Takten besteht (wobei die Spieldauer dann doch knapp zwei Minuten erreicht, weil die ersten und die zweiten 8 Takte jeweils wiederholt werden und schließlich der erste Teil noch einmal gespielt wird). Aufgrund der Kürze hatte ich das Stück ausgewählt - eigentlich nur, um mich in ein Notensatzprogramm einzuarbeiten. Als Notenvorlage nahm ich die vielleicht erste gedruckte Ausgabe dieses Stückes vom Verlag Ildefonso Alier, Madrid (hier abrufbar).
Die dortigen Fingersätze allerdings wollte ich nicht übernehmen. Diese Spielanweisungen oder -hilfen machen bereits im ersten Takt wenig Sinn, finde ich.
Zu Beginn soll wohl der Zeigefinger (1) als Führungsfinger dienen und von e zu fis hinaufrutschen. Eine grundsätzlich übliche Orientierungshilfe, die auf den umsponnenen Basssaiten allerdings problematisch ist, weil sich dort Rutschgeräusche kaum vermeiden lassen. Für den Rest des Taktes bleibt die Position der Greifhand dann in der IV. Lage - und das scheint der Grund für diesen anfänglichen Fingersatz zu sein. Das Beibehalten der Lage macht ebenfalls grundsätzlich Sinn, hier aber zwingt es zu sehr gespreizten Griff-Konstellationen (2/1 und 4/3 über mehrere Saiten hinweg).
Besser ist es, einen Finger auf einer Diskantsaite als Führungsfinger zu nutzen, weil dort annähernd geräuschlos über die Saiten geglitten werden kann. Beim Anfang von Lagrima bietet sich hierfür der 4. Finger auf der hohen e-Saite an, und zwar durchgehend bis zum Dominantseptakkord im 2. Takt. Bei diesem H-Dur-Akkord ist der 4. Finger auf der e-Saite zwingend erforderlich. Durch folgenden Fingersatz lässt er sich gewissermaßen organisch vorbereiten:
Nach den bereits angedeuteten Grundsätzen habe ich die Fingersätze gewählt:
- Beim Lagenwechsel wenn möglich ein Führungsfinger
- Führungsfinger bevorzugt auf einer Diskantsaite
- unnötige Lagenwechsel vermeiden
Weitere Fingersätze ergeben sich aus den allgemeinen Regeln fürs klassische Lagenspiel, bei dem jeder Finger der Greifhand einem von vier nebeneinander liegenden Bünden zugeordnet ist (siehe z. B. Takt 14), oder durch Akkordgriff-Konstellationen (Takt 6 ab 2. Zählzeit).
Problematisch bleibt allerdings der Takt Nr. 10, auch wenn sich ein schlichter Fingersatz zunächst aufdrängt. Die drei letzten Terzen sind der Knackpunkt (fis\a - e\g - fis\a). Bei einer 'üblichen' Griffweise würde hier der Zeigefinger von a zu e zu a und damit zwischen G- und D-Saite hin und her springen.
Eine Lösung ist, den 3. Finger auf fis als Führungsfinger zu nutzen und ihn herunter aufs e zu ziehen - und anschließend wieder rauf aufs fis. Bei der folgenden Variante wird außerdem zunächst der Zeigefinger zur Führung genutzt.[1]
Eine weitere Möglichkeit ist, auf den Führungsfinger (auf der Basssaite) ganz zu verzichten. Hierbei sitzt der Zeigefinger auf dem e (und bleibt dort), während die Finger 2 und 4 vorher und nachher die Terz fis\a greifen. Rutschgeräusche lassen sich dadurch vermeiden und die Terzen können so nahezu unterbrechungslos aneinander gebunden werden. Die ungewöhnliche Spreizung der Finger ist allerdings nicht ideal.
Die kompletten Noten inklusive Fingersätzen und mit Tabulatur gibt's hier zum Download im PDF-Format: Lágrima von Tárrega.
Und hier eine wie ich finde sehr gelungene Interpretation der Komposition vom Gitarristen Uros Baric auf YouTube.